Auch wir gehören zu dieser privilegierten Zielgruppe der neuen Alten, oder besser ?best ager?, die in den Medien immer beliebter wird. Jetzt liebt uns auch die Industrie und die großen Handelsketten. Ob mit Maca-Präparaten oder gleich von Viagra umworben oder von den Autoherstellern hofiert, weil Geld ausreichend vorhanden ist und die Lebensplanung noch nicht abgeschlossen wurde, stets wird das beste Alter so zwischen 50 und 70 definiert. Dynamische Mittfünfziger grinsen von Plakatwänden und lösen langsam aber sicher die Bikinischönheiten ab. Ob für das neue Wohnzimmer, die neue Heizung oder den Treppenlift, überall grienen Dir bestockte Herren oder ergraute Damen mit Vollgebiss und dem Charme einer gebügelten Bluse aus Anzeigen und Werbespots entgegen.
Damit auch Junge sich mit der Situation des Älterwerdens auseinandersetzen können und Verständnis für ihre Eltern oder Großeltern entwickeln, steckt man sie in ager ? Anzüge, die Beweglichkeit und Umsicht eines 70-jährigen simulieren und damit die Sinne für die Bedienbarkeit von diversen Geräten schärfen. Gut ist?s, denn schon vor 30 Jahren haben wir uns über die ersten Fernbedienungen mit Mehrfachfunktionstasten geärgert. Zu kleine Tasten waren schon immer ein Graus und ließen das böse Wort vom Mäuseklavier entstehen.
Best ager kommt nun auch bei den Wohnmobilen. Der Haltegriff neben der Eingangstüre ist ja schon entwickelt. Die Ablage für die Bettflasche fehlt noch, ebenfalls die diskrete Dose für die Dritten im Toilettenraum. Übrigens Toilettenraum: wie wär?s mit einem höheren WC? Der Thron war schon früher zu niedrig. Und Ablagen für diverse Pillen und Zäpfchen und die Brille. Vor allem für letztere hätten wir schon immer Verwendung gehabt. Blind wie ein Maulwurf sucht man das Teil stets da, wo man es überhaupt nicht hingelegt hat. Dafür tritt man dann auf die Schnalle der Sandalen (früher waren es Lego-Steine oder Matchbox-Autos) oder bummert gegen die vorstehende Tischplatte, die am Abend zuvor auf Schienbeinhöhe abgesenkt wurde, weil man den bequemen Fernsehabend nicht von der Viererdinette im Normalsitz genießen konnte.
Übrigens Fernsehen: sicher, man braucht?s nicht. Eigentlich ist es sogar ganz und gar überflüssig und wahrscheinlich ist dies auch der Grund, warum die Einstellarbeit der manuellen Sat-Antenne zur Strafarbeit für Schwerverbrecher mutiert oder kann einer erklären, warum der digitale Receiver immer zeitversetzt zur Drehung der Antenne reagieren muss? Egal, best ager-Mobile haben ohnehin eine automatische Sat-Anlage, deren Ausrichtung funktioniert entweder sofort oder nie.
Apropos nie. Das ist das Stichwort für den Gasflaschentausch. Abgesehen davon, dass die Flasche ohnehin immer nur mitten im schönsten Braten leer wird, ist deren Wechsel auch für Bodybuilder oder Schwerathleten eine Herausforderung die man tunlichst unterlassen sollte. Zunächst dreht man das Flaschengewinde todsicher in die falsche Richtung, weil dies die Gasflaschenzunft vor Urzeiten so gewollt hat. Hat man den Fehler erkannt, ist es zu spät. Ohne Werkzeug ist nichts mehr zu machen. Irgendwann hat man?s geschafft und die ?Flasche leer? ist ab. Die neue Flasche anzuschließen ist nicht das Problem ? vielmehr die ungesunde Körperhaltung. Entweder geht man von seinem Gaskasten auf die Knie oder man steht in gebückter Dauerhaltung demutsvoll davor und hofft auf ein baldiges Ende der Aktion. Beides ist menschunwürdig und einem best ager eigentlich nicht zuzumuten - oder doch?
Zumutbar ist dagegen ein eingedrehter Rittberger, den ein best ager auf dem Parcours zwischen Wohn- und Fahrteil leisten muss um auf dem Fahrersitz Platz zu finden. Bei den meisten Fahrzeugen ist dazu noch ein majestätischer Hofknicks oder ein ebenso vollendeter Diener zu leisten, um nicht mit den (oft gepolsterten) Aufbauten des Fahrerhauses zu kollidieren. Mit der Zeit hat man den Dreh raus und findet auch nichts dabei, wenn man den ohnehin gekrümmten Rücken noch ein wenig mehr verbiegt, um unter der Sonnenblende frech hervor zu lugen. Diese schmerzhafte Sitzhaltung hindert an zu langen Lenkzeiten und dient allein der Fürsorge der Hersteller für ihre Kunden. Hier ist best ager bereits umgesetzt.
Ein Attribut an das im Alter nachlassende Gehör ist die Isolation der Motor- und Fahrgeräusche. Ein best ager Mobil wird von jüngeren meist als laut und rau empfunden ? der best ager ?Fahrer genießt hingegen die angenehme Monotonie der Maschine oder weiß die Vorteile zu schätzen, da ohne den Drehzahlmesser zu beachten, stets der richtige Zeitpunkt für den Gangwechsel erhört wird. Da sich die Kommunikation mit der Partnerin im fortgeschrittenen Alter ohnehin auf die wesentlichen Dinge beschränkt, ist die lautstarke Motorakustik im Fahrerhaus eher ein Segen denn ein Nachteil, und gehört ebenso zu einem modernen best ager Wagen wie die klappernden Schränke und deren Inhalt.
Einiges ist also schon umgesetzt und braucht deshalb nicht mehr verbessert werden. Ein paar Details werden sicher noch folgen, schließlich kann man nicht erwarten, dass die neue Erkenntnis ? wir werden älter ? direkt berücksichtigt werden kann. Immerhin ist das mit dem Älterwerden so wie mit Weihnachten. Beides kommt immer so plötzlich.