Jedermannsrecht: Unterschiede in Schweden und Finnland

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Jedermannsrecht: Unterschiede in Schweden und Finnland

Beitragvon Schwedenopa » 30.05.2008 - 09:03:42

Hallo,

Grundsätzlich sind die Bestimmungen des Jedermannsrechts in Schweden und Finnland ähnlich wie in Norwegen, es gibt jedoch einige wichtige Unterschiede in Bezug auf Fischen und Feuer machen. Um mir (und euch) die Wiederholung meines langen Textes zu Norwegen zu ersparen, habe ich hier lediglich die Unterschiede zusammengestellt:

Ein eher akademischer, in der täglichen Praxis wenig bedeutender Unterschied ist, dass weder in Schweden noch in Finnland das Jedermannrecht schriftlich fixiert wurde. Es existiert hier nach wie vor als "Gewohnheitsrecht", dessen Grenzen allerdings im Laufe der Jahre durch zahlreiche andere Gesetze festgelegt wurden. In Schweden wurde überdies im Jahre 1994 ein allgemeines Zugangsrecht zur Natur in die Verfassung aufgenommen.

Kultiviertes und unkultiviertes Land:
Anders als in Norwegen wird in Schweden und Finnland grundsätzlich nicht zwischen kultiviertem und unkultiviertem Land unterschieden. Es dürfen also prinzipiell auch landwirtschaftliche Nutzflächen wie Wiesen und Weiden ohne Genehmigung des Besitzers betreten werden. Auf bestellten Ackerflächen schließt allerdings das Beschädigungsverbot ein Betreten zunächst aus, hier darf man sich lediglich entlang unbestellter Feldränder bewegen.

Überdies haftet der Grundbesitzer nicht für Schäden, die einem Nutzer des Jedermannsrechts durch die landwirtschaftliche Nutzung entstehen könnten. Steht also ein Wanderer auf einer Weide plötzlich einem wütenden Stier gegenüber, so ist dies allein sein Problem...Bild

1.1 Betreten, Wandern und Befahren:
Wie oben schon erwähnt, darf in Schweden und Finnland grundsätzlich auch kultiviertes Land ohne Genehmigung betreten werden. Ausgenommen davon sind bestellte Ackerflächen, Anpflanzungen sowie die sog. "Hemfridszon", also der ein Wohnhaus umgebende, private Garten- oder Hofbereich.

1.1.1 Nichtmotorisierte Fahrzeuge:
Keine Unterschiede.

1.1.2 Befahren mit Motorfahrzeugen:
In Finnland darf der Grundbesitzer die Erlaubnis erteilen, seinen Grund mit Motorfahrzeugen zu befahren. Sonst keine Unterschiede.

1.1.3 Privatstraßen:
In Schweden gibt es sehr viele Privatstraßen ("Enskild väg", erkennbar an gelben Wegweisern). Bei einem großen Teil dieser Privatstraßen subventioniert der Staat jedoch die Unterhaltung, und diese subventionierten Straßen müssen im Gegenzug vom Eigentümer für den allgemeinen Verkehr offen gehalten werden. Verkehrsbeschränkungen, z.B. nach Gewicht oder Fahrzeugart, dürfen hier nur mit behördlicher Genehmigung verhängt werden. Unter dem folgenden Link kann man sich die staatlich subventionierten Privatstraßen als grüne Linien anzeigen lassen, wenn man rechts oben im Menü "Välj vad du vill se i kartan" die Kategorie "Driftbidrag statlig" auswählt und weit genug hereinzoomt:

NVDB

Auf nicht subventionierten Privatstraßen kann der Eigentümer den Verkehr mit Motorfahrzeugen beschränken oder verbieten, muss dies aber durch deutliche Beschilderung bzw. Absperrungen kenntlich machen. Beschränkungen für Fußgänger und Radfahrer sind hingegen nicht zulässig.

1.2. Picknick, Campen, Feuer machen:
Camping auf fremdem Land ist in Schweden lediglich für 24 Stunden gestattet, nicht für 48. Dafür gibt es keinen gesetzlich festgelegten Mindestabstand zu bewohnten Häusern, man muss allerdings "außer Sichtweite" bleiben.

Feuer machen: In Schweden ist das Feuermachen generell zulässig, kann aber bei Brandgefahr durch die örtlichen Behörden verboten werden. Solche Verbote können dann auch für bereitgestellte Feuerstellen (z.B. auf Campingplätzen) sowie Holzkohlengrills gelten, unter Umständen sogar für Campingkocher. Das hängt vom genauen Inhalt der behördlichen Anordnung ab, im Zweifelsfalle muss man sich also vor Ort z.B. in der Touristinfo erkundigen.

In Finnland darf ohne Genehmigung des Grundbesitzers nur in Notfällen Feuer gemacht werden!

1.3 Beeren, Pilze und Blumen pflücken:
Generell die gleichen Regelungen.

1.3.1 Ausnahme Moltebeeren:
In Schweden gibt es keine Ausnahmeregelung für Moltebeeren, sie dürfen also wie andere Beeren gepflückt werden. In Schweden ist überdies auch das kommerzielle Pflücken wildwachsender Beeren und Pilze grundsätzlich zulässig. In Finnland dürfen Moltebeeren in Teilen Lapplands nur von Einheimischen gepflückt werden.

1.4 Schwimmen und Boot fahren:
Keine Unterschiede bzgl. Schwimmen und Fahren mit nicht motorisierten Booten.

Fahren mit Motorbooten ist in Schweden und Finnland grundsätzlich auf allen Gewässern gestattet, so lange nicht aus Naturschutzgründen örtliche Verbote verhängt sind. Die Benutzung von Wassermotorrädern ist in Schweden allerdings nur auf speziell dafür zugelassenen Gewässern erlaubt.

1.5 Angeln und Jagen:
Finnland: Angeln mit der Handangel und Eisfischen ist generell gestattet, es können jedoch örtliche Verbote verhängt werden. Für alle anderen Arten des Fischens benötigen Personen zwischen 18 und 64 Jahren eine Genehmigung.

Schweden: Angeln mit der Handangel vom Ufer aus ist an den Meeresküsten und an den fünf größten Seen des Landes (Vänern, Vättern, Mälaren, Hjälmaren und im Storsjön/Jämtland), hier wird kein Angelschein benötigt. Angeln vom Boot aus, in anderen als den genannten Gewässern, sowie sämtliche anderen Arten der Fischerei sind nur mit Genehmigung zulässig. Angelscheine sind in Touristenbüros sowie in speziellen Verkaufsstellen (Symbol: Blaues Schild mit schwarzem Fisch) erhältlich, immer häufiger auch per SMS oder Smartphone-App.

Ausfuhrbeschränkungen für selbst gefangenen Fisch gibt es nicht.

2 Sonderfälle:

2.1 Wohnmobile und Wohnwagen:
Anders als in Deutschland ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen und Anhängern auf Parkplätzen sowie am Straßenrand auf 24 Stunden, in Schweden an Wochenenden und Feiertagen darüber hinaus bis zum nächsten Werktag, beschränkt, falls nicht durch Beschilderung anders angegeben. In Finnland können Gemeinden das Übernachten auf öffentlichen Plätzen verbieten.

In Schweden gelten Wohnmobile unabhängig von der zulässigen Gesamtmasse als Personenkraftwagen ("Personbil") der Klasse II, es sei denn sie sind ausdrücklich als Lastkraftwagen zugelassen. Normale PKW ohne Wohneinrichtung fallen unter die Klasse I. Das bedeutet, dass LKW-spezifische Vorschriften wie z.B. Überholverbote oder Geschwindigkeitsbegrenzungen auch für Wohnmobile mit mehr als 3,5 Tonnen zul. Gesamtmasse nicht gelten. Wohnmobile dürfen daher auch auf explizit ausgewiesenen PKW-Parkplätzen parken, es sei denn, diese sind ausdrücklich nur für "Klass I" freigegeben. Beim Parken auf Parkplätzen mit markierten Parkflächen müssen sich sämtliche Räder des Fahrzeugs innerhalb einer Parkfläche befinden.

2.2 Zelten "neben dem Auto":
Keine Unterschiede.

2.3 Naturschutzgebiete:
Gerade in Schweden ist es häufig so, dass zwar in Naturreservaten das Übernachten verboten ist, die zum Naturschutzgebiet gehörigen Parkplätze sich jedoch (knapp) außerhalb der Reservatsgrenze befinden. Manchmal werden auch Parkplätze innerhalb des Naturreservats ausdrücklich für die Übernachtung in Campingfahrzeugen freigegeben.

MfG
Gerhard
Ehemals "EuraGerhard".
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