Tour von D über PL nach LT, LV. EST

Moderator: Mods

Tour von D über PL nach LT, LV. EST

Beitragvon slomo » 11.08.2008 - 22:38:47

Es gibt hier im Forum schon einige detaillierte Berichte über dieses schöne Reisegebiet.
Ich möchte diese durch meine aktuellen Beobachtungen ergänzen und trotz einiger hier geschilderter und für uns ungewohnter Umstände zu einer Reise in dieses oft noch sehr bodenständige und oft verkannte Gebiet animieren.

Trotz vielartiger Bedenken und Warnungen vor der Abfahrt kommen wir gerade von einer schönen und erlebnisreichen fünfwöchigen Womo-Tour zurück. Wir haben sehr viele schöne Landschaften, kunstvoll restaurierte Schätze und viele nette, sehr hilfsbereite und freundliche Menschen kennen gelernt. Es war rundum eine tolle neue Erfahrung, die vorgeprägte Vorstellungen gründlich umgekrempelt hat.
Wir haben mit einer Gruppe ab und bis Ostpolen gegen den Uhrzeigersinn das Baltikum umfahren. Nicht in Kolonne, sondern nur vereinbarte gemeinsame Übernachtungsplätze und Führungen. Jeder suchte sich seine Fahrstrecken zum Ziel selbst aus. Insgesamt waren es ab D 5500km.

Für alle künftigen Interessenten möchte ich hier ein paar Beobachtungen darstellen.

1. Straßenverhältnisse
Man kann alle interessanten Sehenswürdigkeiten auf recht ordentlichen Straßen erreichen. Nicht immer auf Asphalt, manchmal auf Staubstraßen, aber immer mit ausreichender Breite. Bei den Staubstraßen gibt es oft den Wellblecheffekt, kaum aber deftige Schlaglochstrecken.
Selbst Nebenstraßen sind meist gut ausgebaut, wenn man von den immer wieder auftauchenden vielen übereinander liegenden Flickstellen absieht und einen die dadurch verursachten ständigen Schaukelbewegungen des Womos und Klappergeräusche des nicht ausreichend gepolsterten Inventars nicht stören. Toll ausgebaute Straßenabschnitte wechseln unvermittelt mit Rumpelstrecken.
Nach einem Unwetter mit quer liegenden Bäumen und sintflutartigem Regen gerieten wir auf einer optimal ausgebauten Hauptdurchgangsstraße wegen einer Baustelle in eine 30km Schotterumleitung mit Wellblechstruktur. Wenn man auf der durchweichten Piste mit dem Womo versuchte, schneller als 20-25kmh zu fahren, fing die ganze Fuhre an, wie ein kleines Schiff in den Wellen unkontrollierbar hin und her zu pendeln.
Die Einheimischen, speziell die mit den weit verbreiteten Edel-Allradfahrzeugen aller teuren Fabrikate, donnerten ohne Rücksicht auf den dichten Gegenverkehr mit ca. 60-70kmh über diese Piste uns spritzten kräftig mit Dreck um sich.
Die schlechteste Straße auf der ganzen Tour musste jedoch ein Busfahrer für uns erleiden. Die Straße von der estnischen Grenzstadt Narva nach St Petersburg ist eine Asphalt Wellblechstrecke übelster Art. Selbst die Trucks fahren kaum schneller als 30kmh. Wenn man nach St. Petersburg fährt oder sich fahren lässt, sollte man eine entsprechende Fahrzeit einkalkulieren. Für uns fielen wegen der nicht eingeplanten langen Fahrzeit interessante Besichtigungen aus.
Aufpassen sollte man auf „Bumps“. Diese sind oft nicht angekündigt und/oder markiert. Da sie meist völlig in der Fahrbahnstruktur untergehen, kann es schon mal richtig krachen, wenn man einen übersieht. Bei einer auf 30kmh begrenzten Straße erwischte mich ein solcher übersehener Bump bei ca. 10-15kmh. Anschließend mußten wir im ganzen Womo alles aufräumen, was nicht irgendwie fest eingekeilt oder sonst wie festgezurrt war. Alle Regale waren geleert.
Fährt man abseits der gelb und rot nummerierten Straßen, dann kann die Streckenführung schon mal interessant und die Straße für ein Womo kaum befahrbar werden. Das gilt besonders bei nassen Straßen.
Auf dem Heimweg erlebten wir allerdings, dass es heruntergekommene und ungepflegte Straßen nicht nur im Osten gibt. Wer sich hierzulande mal eine richtig verschlampte Autobahn antun möchte, dem sei die A11 von Stettin nach Berlin ab der Landesgrenze Brandenburg zu empfehlen. Dagegen boten selbst die einspurigen, mit 20cm Kieseln gepflasterten Dorfverbindungsstraßen im Baltikum noch eine ruhige Fahrt.

2. Verkehrsregelung
Der Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkungen in Orten wird auf einem weißen Schild mit einer Ortssilhouette oft weit vor den ersten Ansiedlungen angezeigt. Das Ortsende zeigt das gleiche Zeichen mit einem roten Diagonalbalken an. Dieses ist oft weit nach jeglicher Ansiedlung angebracht.
Nähert man sich einer Ansiedlung, ist man oft gut beraten auch ohne erkennbares Schild die Geschwindigkeit auf 50kmh zu reduzieren. Wie es der Zufall so will, waren die meisten Geschwindigkeitskontrollen dort, wo man kein Schild erkennen konnte. Vor und nach den Ansiedlungen. Bei einigen unserer Gruppe wurde das Urlaubsbudget dadurch kräftig belastet.
Gut ausgebaute, oft recht neue Straßen haben häufig auf sehr lange Strecken eine Geschwindigkeitsbegrenzung mit 50 oder 60kmh. Die Erfahrung zeigt, dass es von Vorteil ist, auf derartigen Streckenabschnitten nicht als erster in einer Kolonne zu fahren. Da kann es dann schnell zu einem kostenpflichtigen Zwischenstopp kommen.
Auf den dreidimensionalen Straßen darf man dann meist ungebremst fahren.
Kurven werden häufig auf 50 oder 60kmh begrenzt. Dahinter findet man oft sonst recht rare Parkmöglichkeiten, die aber meist mit mehreren Fahrzeugen und einigen uniformierten Personen belegt sind.
3. Sonderrechte
In allen besuchten Ländern, ganz besonders aber im Baltikum, scheinen für die Allrad-Edelkarossen Sonderrechte zu gelten. Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überholverbote scheinen für die nicht zu gelten. Es wird ohne Rücksicht aus Kolonnen heraus in den Gegenverkehr hinein überholt, brutal geschnitten und ausgebremst.
4. Navigation
Gute, möglichst detaillierte Karten sollte man dabei haben.
Die GPS-Systeme haben im Baltikum recht unterschiedliche Ausbaustufen. Mein Garmin (CN 2008) hat mich außer in den Städten und auf großen Hauptverbindungsstraßen im Baltikum fast völlig im Stich gelassen. Einige Teilnehmer mit Geräten von Lebensmitteldiscountern mit entsprechender SW-Erweiterung konnten sich fast über jeden Feldweg führen lassen.
5. Verständigung
Wir trafen auf der gesamten Tour niemanden, mit dem man sich nicht irgendwie in Deutsch oder Englisch einigermaßen verständigen konnte. Deutsch wird weit verbreitet und oft sehr gut gesprochen. Wenn das nicht half, dann ging es selbst auf dem flachen Land immer mit Englisch.
6. Sicherheit
Vielleicht haben wir auch nur Glück gehabt, aber keiner aus unserer Gruppe hatte irgendwo auf der Tour schlechte Erfahrungen gemacht. Wir parkten unsere Womos dort, wo es etwa interessantes zu sehen gab oder wo wir einkaufen wollten ohne spezielle Sicherungsmaßnahmen. In den Städten mag es, wie fast überall, sinnvoll sein, sich auf einen der überall vorhandenen bewachten Parkplätze zu stellen.
7. Gebühren
Die zu „Verkehrs-Sonderabgaben“ Genötigten berichteten von speziellen Rabatterfahrungen. Nach dem Vorlegen des Bußgeldkataloges mit recht deftigen Tarifen waren die Uniformierten zu großzügigen Nachlässen bereit, wenn man in Euro und ohne Quittung bezahlte.

Auf eine ganz besondere Eigenart einiger Verkehrsteilnehmer, speziell in den weiten, fast unbewohnten Gebieten, möchte ich noch hinweisen. Sieht man auf einem der kleinen Zufahrtswege von den einzelnen Gehöften zu den Durchgangsstraßen ein Fahrzeug kommen, so ist es sehr empfehlenswert zumindest den Fuß aufs Bremspedal zu stellen. Es wird meist ohne Anzuhalten oder auf den fließenden Verkehr zu achten auf die Fahrbahnmitte eingebogen und dann scheint man häufig entweder den zweiten Gang nicht zu finden oder man will den Motor nicht durch zu schnelles Hochdrehen zu stark belasten. Wenn dann noch Gegenverkehr ist, dann kann es schnell knapp werden mit dem Bremsweg.
Gruß
Slomo
slomo
Mitglied
 
Beiträge: 240
Registriert: 11.12.2004 - 13:17:45
Wohnort: Bayern

Zurück zu Baltikum

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder