wie schon gesagt, wollte ich auch die Situation bei einem Reifenplatzer mal physikalisch "durchleuchten":
Ich will hier nicht auf mögliche Ursachen von Reifenplatzern eingehen, sondern lediglich auf die Folgen. Daher sei nur kurz gesagt, dass die meisten Reifenplatzer vermeidbar sind, wenn man regelmäßig den Luftdruck kontrolliert und eine Überbelastung der Reifen (Überladung, zu hohe Geschwindigkeit) vermeidet.
Der Einfachheit halber nehme ich zunächst mal an, dass das zu betrachtende Womo 4 Reifen hat, also weder eine Doppelachse noch Zwillingsbereifung. Und auch nicht mit sog. Notlaufreifen bestückt ist. Nehmen wir weiterhin an, dass der Reifenplatzer auf gerader Strecke passiert. Also, was passiert bei einem Reifenplatzer:
Zunächst einmal fällt die Tragfähigkeit des geplatzten Reifens schlagartig auf Null zurück. Damit verteilt sich das Gewicht des Womos auf die verbliebenen drei Räder, wobei das Rad diagonal gegenüber den geringsten Lastzuwachs zu verkraften hat. Also, wenn der rechte Hinterreifen platzt, dann werden hauptsächlich das linke Hinterrad und das rechte Vorderrad stärker belastet. In jedem Fall wirkt eine Kraft auf das Fahrzeug, die es in Richtung der Seite zieht, auf der der Reifen geplatzt ist. Also wenn der rechte Reifen platzt, dann nach rechts.
Platzt ein Reifen an der Antriebsachse, dann dreht das betroffene Rad gewissermaßen durch, und das Differentialgetriebe gibt keinerlei Drehmoment mehr an das noch intakte Antriebsrad ab. In diesem Falle fällt also auch die Vortriebskraft des Motors aus.
Aufgrund der Massenträgheit bewegt sich das Fahrzeug dennoch zunächst mal vorwärts weiter, entwickelt jedoch einen "Drall" in die Richtung des geplatzten Reifens. Ob ein Vorder- oder Hinterreifen platzt, ist dabei zunächst mal zweitrangig, die Seitwärtskraft wird lediglich unterschiedlich stark ausfallen.
Kritisch wird es jedoch beim Bremsen: Da das Rad mit dem geplatzten Reifen nicht mehr mitbremst, ist auf dieser Seite die Bremswirkung nahezu halbiert. Die Gefahr, beim Bremsen ins Schleudern zu kommen, ist also extrem groß!
Gelegentlich hört man den Tipp, man solle bei einem Reifenplatzer Gas geben, um eben diesen Drall durch eine stärkere Zugkraft in Fahrtrichtung teilweise zu kompensieren. Das klingt zwar paradox, ist aber prinzipiell richtig! Es hilft aber aus oben genannten Gründen nur, wenn der geplatzte Reifen sich nicht an der Antriebsachse befindet. Ansonsten schadet es nichts, man sollte sich das also durchaus einprägen.
Aber prinzipiell ist es durchaus möglich, ein Fahrzeug in so einer Situation weiterhin zu beherrschen! Vorausgesetzt, der Fahrer reagiert schnell, überlegt, und vor allem kaltblütig. Denn die meisten schweren Unfälle als Folge eines Reifenplatzers (wie Überschläge etc.) werden nicht unmittelbar durch den Platzer ausgelöst, sondern durch die Überreaktion des Fahrers!
Also, wie sollte man bei einem Reifenplatzer reagieren:
- Keine Panik!
- Nicht bremsen!
- Im Gegenteil: Gas geben! Selbst wenn es vielleicht nicht aktiv hilft, so hält es einen jedoch in jedem Fall vom Bremsen ab.
- Vorsichtig, mit winzigen Lenkbewegungen, den Kurs korrigieren. Keinesfalls überkompensieren.
- Erst wenn man die Seitwärtsbewegung völlig unter Kontrolle hat: Ganz vorsichtig bremsen. Dabei darauf gefasst sein, dass (je nach dem ob ein Vorder- oder Hinterreifen geplatzt ist) das Fahrzeug beim Bremsen nach einer Seite ausscheren will.
Ich muss noch dazu sagen, dass das für mich weitgehend Theorie ist. Darüber bin ich (ausnahmsweise mal, schließlich bin ich Experimentalphysiker...

MfG
Gerhard