Ich habe einen früheren Beitrag überarbeitet und auf meinen aktuellen Wissensstand gebracht, auch ein Urteil des OLG Nürnberg mit eingearbeitet. Der Beitrag ist aktueller als jemals zuvor. Der Trend zum 3,5 Tonner für 4 Personen mit voller Ausstattung ist ungebrochen. Die Eier legende Wollmilchsau wurde noch nicht gefunden. Deshalb stelle ich die aktuelle Version wieder ins Forum:
Was ist die Masse in fahrbereitem Zustand?
Welche Zuladung ist tatsächlich möglich?
Die Zuladung eines Wohnmobils oder Caravans ist ein entscheidender Faktor, der die Gebrauchstauglichkeit ganz wesentlich mit bestimmt. Muss man die Kids zu hause lassen, wenn man den Partner und ein paar Vorräte mitnehmen will, hat man ein Problem. Umgekehrt natürlich auch.
Einschlägig ist zunächst § 42 Abs. 3 StVZO (Straßenverkehrszulassungsordnung). Danach ist das Leergewicht wie folgt zu ermitteln:
"Das Leergewicht ist das Gewicht des betriebsfertigen Fahrzeugs?., aber mit zu 90 % gefüllten eingebauten Kraftstoffbehältern und zu 100 % gefüllten Systemen für andere Flüssigkeiten (ausgenommen Systeme für gebrauchtes Wasser) einschließlich des Gewichts für alle im Betrieb mitgeführten Ausrüstungsteile ( z. B. Ersatzräder und ?bereifung, Ersatzteile, Werkzeug, Wagenheber, Feuerlöscher,?) ? zuzüglich 75 kg als Fahrergewicht."
In Deutschland existiert zudem seit 1999 die DIN EN 1646-2, die bestimmt, was der Hersteller im Benutzerhandbuch angeben muss. Das, was er angeben muss, wird man dann wohl auch als Mindestkriterium für die Zuladung zugrundelegen dürfen. Leistet das Fahrzeug dies nicht, wird man von einem Mangel ausgehen müssen. Diese DIN basiert auf der Europäischen Norm EN 1646-2 und hat den Status einer Deutschen Norm. Sie gehört damit zu einer Reihe Europäischer Normen für bewohnbare Freizeitfahrzeuge. Sie enthält ein Verfahren für die Berechnung der erlaubten Mindestzuladung, die bei der Konstruktion von Caravans und Wohnmobilen zu berücksichtigen ist. Sie gibt auch an, welche Informationen hinsichtlich der Zuladung in das Benutzerhandbuch aufzunehmen sind.
Was steht also drin in dieser DIN aus 1999?
Unter Ziffer 5 findet man folgende Hinweise:
Der Hersteller muss im Benutzerhandbuch folgende Angaben und auch die zutreffenden Definitionen angeben:
a) die technisch zulässige Gesamtmasse, also das zulässige Gesamtgewicht,
b) die Masse in fahrbereitem Zustand
c) die Masse der Höchstzuladung, also a) minus b) und
d) die Masse der Grundausstattung des Motorcaravans.
Weiter heißt es in Ziffer 5 der genannten DIN:
Der Hersteller muss deutlich (!) angeben, dass die Zuladung folgendes beinhaltet:
1. die konventionelle Belastung (das ist das Gewicht der zugelassenen Passagiere)
2. die Grundausstattung (das ist der Wasservorrat, das Gas usw.)
3. die Zusatzausstattung (natürlich nur im Auslieferungszustand) und die
4. persönliche Ausrüstung (das ist die Zahnbürste, die Wäsche, Lebensmittel usw.).
Um überhaupt einen Anhaltspunkt zu haben, ob das Fahrzeug dem angegebenen Leergewicht entspricht oder nicht, bleibt nichts anderes übrig, als auf eine öffentliche und geeichte Waage zu fahren. Dort erhält man das Leergewicht mit allen fest eingebauten Zusatzausstattungen. Die Wassertanks sind voll, die Abwassertanks leer. Die Boiler und Wasserleitungen sowie die Vorratsbehälter der Toilette sind voll. Die Fäkalienkassette ist leer. Der Dieseltank ist zu 90 % gefüllt. Der Reservekanister muss draußen bleiben. Die zwei Gasflaschen sind gefüllt. Die Flüssigkeitsheizung ist gefüllt. Ein Feuerlöscher bleibt drin. Die Kabeltrommel und das Anschlusskabel sind im Fahrzeug verstaut. Hinzu rechnet man 75 kg für den Fahrer. Dann hat man das Leergewicht nach der StVZO ermittelt. Zieht man dieses tatsächliche Leergewicht von dem zulässigen Gesamtgewicht ab, hat man die effektive Zuladung.
Waren in den Werbeunterlagen andere Leergewichte angegeben, weil z. B. das Fahrzeug ohne Zusatzausrüstung gewogen wurde (was die Regel sein dürfte), muss man zur Überprüfung, ob das Leergewicht korrekt angegeben war, die Zusatzausrüstung vom tatsächlich gemessenen Gewicht wieder abziehen. Oft werden die Gewichte der Zusatzausrüstung in den Katalogen ausgewiesen, so dass man gut rechnen kann. Dadurch ändert sich die tatsächliche Zulademöglichkeit aber natürlich nicht. Man kann nur feststellen, ob der Wert in den Vertragsunterlagen richtig angegeben war, sonst nichts.
Ich denke, diese Auflistung kann man gut nachvollziehen und am eigenen Fahrzeug auch ausprobieren.
Damit man aber mit dem Fahrzeug auch verreisen kann, muss man Gepäck einladen und die zulässige Personenzahl mitnehmen können. Dazu gibt die DIN Berechnungsvorgaben für die ?persönlichen Ausrüstung?: Sie ist in Ziffer 4,4 der DIN geregelt:
Die Mindestmasse, die der Hersteller berücksichtigen und im Handbuch angeben muss ("muss", also zwingend nach DIN), ist wie folgt zu berechnen:
Masse der persönlichen Ausrüstung = 10 x N + 10 x L
N steht für die maximal zulässige Zahl der Passagiere, und zwar einschließlich des Fahrers, denn der muss ja auch Wäsche zum wechseln haben.
L steht für die Gesamtlänge des Motorcaravans in Meter.
Mein Beispielfahrzeug soll eine Länge von 6,50 m haben und ist laut Fahrzeugbrief für 4 Personen zugelassen. Das ergibt folgende Berechnung der persönlichen Ausrüstung, die mindestens vorhanden sein sollte:
Masse = 10 x 4 + 10 x 6,5
Die persönliche Ausrüstung (Gepäck) ist also mit 40 kg für die Personen und mit weiteren 65 kg für die Länge zu berücksichtigen, im meinem Fall also zusammen für die 4 Personen 105 kg.
Fehlt noch die "konventionelle Belastung", die auch angegeben werden muss, siehe oben.
Diese Masse zu berechnen ist ganz einfach und richtet sich nach Ziffer 4.2 der DIN. Außer dem Fahrer, der ja, wir erinnern uns, schon bei dem Leergewicht mit 75 kg zu berücksichtigen war, werden alle weiteren zugelassenen Passagiere auch mit jeweils 75 kg berücksichtigt.
In meinem Beispiel also weitere 3 Personen mit jeweils 75 kg, zusammen somit 225 kg.
Aus dem auf der Waage ermittelten Leergewicht zzgl. der persönlichen Ausstattung sowie zzgl. der konventionellen Belastung ergibt sich dann, ob das Fahrzeug ausreichend Zuladungsreserven hat, um es dem Verwendungszweck gemäß nutzen zu können.
Mein Rat: Kein Fahrzeug bezahlen, was nicht vorher auf einer öffentlichen Waage hinsichtlich der wirklichen Zuladungsmöglichkeiten geprüft oder wenigstens nach obigem Muster durchgerechnet wurde. Stellt sich eine Überlastung heraus, liegt grundsätzlich ein Sachmangel vor, für den der Verkäufer nur dann keine Nacherfüllung schuldet, wenn dieses Zuladungsproblem vorher offen gelegt worden war oder sich hinreichend klar aus den Werbe- und Vertragsunterlagen herleiten ließ.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat zu den Zuladungsmöglichkeiten entschieden (Leitsatz):
Ist bei einem Reisemobil die Zuladungsmöglichkeit so beschränkt, dass sie für den gewöhnlichen Gebrauch des Fahrzeugs nicht ausreicht, so stellt dies einen Sachmangel dar, für den der Käufer Gewährleistung beanspruchen kann, - es sei denn, der Verkäufer hatte den Käufer auf die geringe Zuladungsmöglichkeit hingewiesen.
Bei einem großen und luxuriösen Reisemobil ist eine Zuladungsmöglichkeit von nicht einmal 500 kg bis zum Erreichen des zulässigen Gesamtgewichts von 7,5 to unzureichend.
Bei der Wandelung anzurechnende Gebrauchsvorteile eines Reisemobils berechnen sich im Regelfall nach der Formel Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : erwartete Gesamtlaufleistung.
OLG Nürnberg vom 14.11.2001, Az.: 4 U 3372/01
Wie man sieht, sind die zusammen zu tragenden Daten umfangreich und hängen sehr vom individuellen Zuschnitt des Fahrzeuges ab. Zu einer ordentlichen Verkaufsberatung gehört aber nach meiner Auffassung auch, dass man die tatsächlichen Gewichte, die nach der Festlegung der Fahrzeugausstattung zu erwarten sind, mit dem Käufer bespricht uznd seine individuellen Gewohnheiten mit einbezieht, damit es später keine Überraschungen gibt. Überladung hat nicht nur eine Ordnungswidrigkeit zur Folge, sondern kann im Einzelfall auch den Versicherungsschutz tangieren. Außerdem fährt man überladen unsicherer.
Der Trend, möglichst unter 3,5 to zu bleiben, aber trotzdem eine Vollausstattung für 4 Personen zu erreichen, ist fatal und mit den physikalischen Möglichkeiten kaum in Einklang zu bringen. Die 105 kg Gepäck bei einem 6,50 Reisemobil für 4 Personen sind ohnehin schon lächerlich genug. Da müssen die 4 Fahrräder (mit Träger ca. 80 kg), die Aldi-Vorräte und das Schlauchboot sicher zu Hause bleiben.
Gruss