Liebe Leute, ich möchte meine Erfahrungswerte in die Diskussion einbringen. Gerade das Thema Motoren und Verbrauch interessieren mich als Honda Händler sehr, ausserdem bin ich leidenschaftlicher Womo-Fan seit dem zartesten Baby-Alter (damals im Camping-Bus vom Opa). Damit Ihr seht, dass das Thema und nicht etwa Werbung mein Interesse ist, schreib ich (fast) nix von Honda. Also:
THEMA MOTORENENTWICKLUNG: Die Industrie kann nur bedingt neue Bedürfnisse wecken (zB. sparsame Autos), wenn Kunden was anderes wollen bzw. vielmehr noch KAUFEN. Produziert wird in erster Linie, um die Nachfrage der Konsumenten zu stillen. Und die - unvernünftig wie sie in der Mehrheit halt sind - wollen seit Jahrhunderten: schneller, besser, mehr. Erst seit relativ kurzer Zeit gibt es eine langsam wachsende Gruppe in der (westlichen?) Bevölkerung, welche Umweltschutz und Ressourcen-Schonung vor Status und PS stellt. Daher gibt es auch immer mehr wirklich sparsame Autos, man muß sie nur kaufen! Nur wer tut das? Beispiele:
3L-LUPO: Vor fast 10 Jahren hat Piech sein Versprechen eingelöst, ein 3L-Auto anzubieten. Und der Lupo funktioniert auch prächtig! Mit 3,2-3,8 Liter kommt man locker aus, er hat eine tolle stufenlose Automatik und - wenn man will - die nötigen Extras wie ZV, Klima und Airbag. ABER - um ihn überhaupt verkaufen zu können (weil die Konsumenten nicht bereit waren und sind, einen fairen Preis für so ein tolles Spritsparwunder zu zahlen), mußte VW ihn unterm Einstandspreis anbieten. Dh. VW hat für jeden verkauften 3L-Lupo draufgezahlt! Klar dass die Produktion eingestellt wurde. Schade, oder? Aber wer von Euch, die in diesem Thread mitschreiben, hat sich zB. diesen Wagen gekauft? Beim Smart kann man sich ja rausreden, dass diese Sardinendose ohne Federung und Kofferraum keine echte Alternative ist. Nur, der 3L-Lupe verbraucht genau gleich viel (wenig) und ist ein ECHTES Auto. Er ist ungefähr so groß wie ein 1er-Golf (um bei VW zu bleiben) und ist als Stadtauto und sogar für die Autobahn gut zu gebrauchen. (Schaut mal in mobile.de wieviele 3L-Lupos mit 200.000 km und mehr angeboten werden; das sind die schlauen Vielfahrer und Vertreter...) ABER: er sieht nicht so toll aus, hat Asphalt-Schneider-Reifen statt Breitreifen, geglätteten Kühlergrill für gute Aerodynamik usw. Der sieht nicht "geil" aus sondern ist der Wolf im Schafspelz, nur halt in die Richtung Sparsamkeit statt unnützen PS und Machogehabe. Nur - das kaufen die wenigsten, weil sie eben angeben wollen mit ihrem Auto. Das zeigen viele Autoumfragen und die Praxis!
VERBRAUCHSENTWICKLUNG ALTE VS. NEUE AUTOS: Bsp. Golf. Meine Frau steht auf Diesel und VW, daher hat sie keinen Honda
sondern einen Golf IV GT TDI mit 90 PS. Hübsches Auto mit 1a Fahrwerk, selbst für die längste Reise ausreichend komfortabel, bärenstarker Motor (absolut ausreichend motorisiert!!) und sogar für das viele Gepäck, das sie als Trainerin immer mit hat, groß genug. Sie hat jetzt 100.000 km drauf und einen Durschnittsverbrauch von 5.5 L. Klar könnte man jetzt anführen, der 2er Golf TD mit zuletzt 80 PS hat auch nicht mehr gebraucht. Aber hat schon mal jemand genau verglichen? Würde man dem alten Golf das Mehrgewicht des 4er aufladen und eine oft eingeschaltene Klimaanlage einbauen, würde er nicht annähernd diesen Wert schaffen. Und woher kommt das Mehrgewicht (nicht nur beim Golf, sondern bei allen neuen)? Von der MASSIV gesteigerten Crash-Sicherheit und den Komfort-Extras. (Die hatte der alte R4 auch nicht.) Angenommen, Euer Lebenspartner hätte heute einen Crash mit einem eh-schon-so-sparsam-gewesenen 2er Golf (oder R4), und im Vergleich mit dem 4er (oder 5er) Golf - und im 2er Golf hätte es ihr/ihm die Beine und Hüfte zertrümmert, und aus dem 4er/5er steigt sie/er mit einem Schock und Rippenprellungen einfach aus, aufgrund stabiler Fahrgastzelle, Airbags und Gurtstraffer? MIT DEN BEINEN DRAN STATT ROLLSTUHL ODER TOD? Wer von Euch würde da sagen "lieber die Spielzeug-Karosserie ohne Airbag vom 2er Golf / R4 mit dem neuen TDI-Motor, weils doch leichter und sparsamer wäre?" Oder würdet ihr vielleicht sogar alles Geld der Welt zahlen, wenn sie/er in einem schwereren und sichereren Fzg. gesessen wäre? Also ich möchte lieber das sichere Auto UND vernünftigen Verbrauch und möglichst viele Tote von der Strasse gerettet sehen.
EINFLUSS DES FAHRERS AUF DEN VERBRAUCH: Bordcomputer sei Dank kann man sich ja 1:1 die Konsequenz seines Fahrstils aufs Cockpit zaubern. Ich habs probiert: mit dem typischen, gedankenverlorenem, ruppigen Fahrstil kann ich in der Stadt beim Golf meiner Frau einen Verbrauch von 6,5 L provozieren (was ja absolut betrachtet nicht viel ist...), oder mit bewußt vorausschauender Fahrweise mit möglichst wenigem Bremsen, niedrigsten Drehzahlen, Ausnutzung der Schubabschaltung im Schiebebetrieb und möglichst vielem Rollenlassen im Leerlauf auch mit 4,7 L auskommen. Das i-Tüpfelchen: seit 15 Jahren montiere ich auf meine/unsere Autos nur die lt. ÖAMTC/ADAC-Test sparsamsten Reifen mit dem geringsten Rollwiderstand, und fahre mit deutlich erhöhtem Luftdruck. Beim Golf wären das ca. 0,3-0,5 bar mehr als vorgeschrieben. Beim Kastenwagen/Womo einfach den Maximaldruck lt. Reifenflanke einfüllen. Ich konnte bei bis auf 2 mm runtergefahrenen Reifen KEINEN erhöhten Verschleiss in der Reifenmitte feststellen. Dafür aber einen nochmals um ca. 0,2-0,5 L reduzierten Verbrauch (Je nach Auto). Und, wer tut das schon, um so Sprit zu sparen? Flüssig fahren, Reifen optimieren? Und das Auto immer optimal warten? Ja, und wie Christine schon schreibt, liegts ja auch am Autobahn-Tempo. Je 10 km/h mehr braucht fast jedes Womo ca. 1 L mehr. Und - Hand aufs Herz - wer kann schon behaupten, daß er mit Tempobolzen die Qualität seines Urlaubs verbessert hat und WIRKLICH nennenswert schneller am Ziel war?
BSP. FIAT DUCATO 230 2.5 TDI 115 PS: Unser aktuelles (und immer noch recht verbreitetes) Chassis. Wir haben einen Alkoven-Aufbau, 6.5 m Länge und fahrfertig GEWOGENE 3.300 kg. Ich fahre die Michelin XC Camping Reifen (wie wohl die meisten), mit dem maximalen Luftdruck (5.5 bar, gut für Lastreserven und den Verbrauch, Abrollkomfort natürlich etwas bockiger als mit 5 bar, was technisch reichen würde.) Ich bin wahrlich kein langsamer Fahrer, sondern eher ein flotter Bursche aber trotzdem: der Ducato ist absolut ausreichend motorisiert! Auf der Autobahn fahre ich konstant 110, auf der Bundesstrasse 80-100, und überhole dabei schon einige Womos und Reisebusse, und dabei verbraucht er genau 11 L! Also wer jetzt behauptet, das wäre viel, soll mir das genau erklären. Mit der Aerodynamik einer Backsteinmauer und 3,3t Lebendgewicht, ja wie wenig wäre denn dann wenig?? Wäre ich mit meinem alten Ducato 2.5TD mit 100 PS jeden Berg so hoch gebrettert und auch zwischendurch mal 130 gefahren wie mit dem 2.5 TDI, da hätte ich 1. grosse Sorgen um den Motor gehabt (Standfestigkeit) und 2. 13-14 L gebraucht. Und das bei ohrenbetäubendem Lärm und riesen Rußschwaden aus dem Auspuff...
BSP. FIAT DUCATO 2007 2.3L MIT 130 PS: Ich habe diesen Wagen in meinem Firmen-Fuhrpark als 2007er L5/H2 Maxi (längster Radstand mit Überhang und Hochdach) in der 120PS-Ausführung (Womo-Chassis hat 130PS), fahre damit selber wöchentlich und kann daher live berichten: ich LIEBE diesen Wagen! Obwohl der alte 2.5 TDI schon gut ist, der aktuelle 2.3 JTD ist ein TRAUM dagegen! Der Motor säuselt leise vor sich hin, fast als sässe man in einem Mercedes. Er katapultiert mit seinem Drehmoment das 2,2t-Vieh beim Ampelstart nach vorne, dass man am Anfang nur mehr grinst! Mit dem 6-Gang-Getriebe kann ich in jedem Geschwindigkeitsbereich mit niedrigsten Drehzahlen fahren, was den Verbrauch extrem schont, welcher sowieso aufgrund der hervorragenden Elastizität niedrig ist, weil man ihn nie über 2.500 drehen muß. Und er brummt absolut nicht, selbst wenn man 1.000 U/min fahren will! (Im Gegensatz zB. zum Movano oder Sprinter...) Die Bremsen sind 1a, das Fahrwerk stabil wie eine Mauer, was wollt Ihr mehr? So, und jetzt zum Verbrauch. Lt. Bordcomputer hat er einen Durchschnittsverbrauch von 9,7L, und da sind alle meine Mitarbeiter mit Bleifuß mit eingerechnet! Wenn ich fahre, braucht er 9L.
Folgende Praxistests kann ich anbieten: Da der grosse Ducato Maxi offiziell für eine technische Nutzlast von 2t konstruiert ist, habe ich die schon 2x ausgenutzt und einem meiner Mitarbeiter 2t Brennholz nach Hause geliefert, schön über Berg und Tal durchs Salzburger Land. Und dabei festgestellt: mehr Motor braucht kein Mensch. Den Grossteil der Bundesstrasse bin ich im 6. Gang (!!) gefahren, hie und da runtergeschalten, und sogar mit Absicht einen extrem steilen Berg hoch, um die Steigfähigkeit zu testen. Alles kein Problem, mit 4,3 t Gesamtgewicht!! Wer bitte schön fährt nochmal mit diesem Gewicht rum? Also die meisten fahren so um die 3-3,7 t spazieren. ANMERKUNG: fürs Womo-Chassis hat der 2.3 L Motor 130 PS (wobei ich im Promobil gelesen habe, dass er in Echt eh 140 PS und 400 NM hat!) und eine etwas kürzere Übersetzung als mein Kastenwagen.
2. Test: Bin mit Frau, 3 Motorrädern, 200 L extra Sprit und randvoll mit Gepäck von Salzburg nach Italien gefahren, als Begleitfzg. für eine Motorradtour mit unseren Kunden. Wollte den Motor testen und die Elastizität provozieren. Mein Ziel: Tempomat 110-120 OHNE Runterschalten. Fazit: von Salzburg bis zum Lago musste ich nur DREI MAL in den fünften schalten!
3. Test: leicht beladen Salzburg-Wien-Salzburg, Tempomat 140 km/h. Verbrauch: 11,3 L. Wenn man bedenkt, dass der Luftwiderstand mit dem Quadrat der Geschwindigkeit steigt und der Ducato eine Wand ist im Vergleich zum PKW, ist das phänomenal wenig Spritverbrauch!
Daher: den 3L-Motor BRAUCHT KEIN MENSCH, der 2.3 ist das Maß der Dinge was Wirtschaftlichkeit und Verbrauch betrifft! Und auch mit der Haltbarkeit braucht keiner mehr kommen. Fiat hat mit dem 2.3er einen echten LKW-Motor von IVECO übernommen (nicht wie früher die PKW-Motoren vergewaltigt), der im Daily mit noch mehr PS zu haben ist und auf absolute Standfestigkeit getrimmt wurde! Riesen Wasser- und Ölkühler, schön viel Masse am Block und Kopf, eine Temperaturanzeige, die mit üblestem Vollgas auf keiner Steigung nur einen mm von 90°C abweichen will, da kann man getrost die alten Ducato-Diesel-Leiden vergessen. Gepaart mit 40.000 km Serviceintervallen und eben diesem niedrigen Verbrauch (9-13 L je nach Beladung/Tempo) ist das ein hochwirtschaftlicher Motor. Viele vernachlässigen auch noch folgenden Aspekt:
VORGABEN DES GESETZGEBERS: Die Euro 4 bzw. 5 Abgasnorm ist eine unglaubliche Verbrauchs-Hürde für die Ingenieure, das kann der normale Kunde gar nicht erwägen, welcher Spagat da notwendig ist. Hat jemand von Euch schon mal alle Abgaswerte seiner alten und neuen Autos verglichen? Ich mach das regelmässig und bin jedesmal bass erstaunt darüber, wie das nur möglich ist, bei erhöhter Leistungsausbeute, ruhigerem Motorlauf, niedrigerem Verbrauch (ja nur bei vernünftiger Fahrweise) trotz teilweise mehreren Katalysatoren und Rußfiltern und höherem Gewicht derart niedrigere Abgasemissionen zu realisieren! Alle reden von CO2, aber wer denkt heute daran, daß CO, NOX, HC und Partikel (Feinstaub) teilweise krebserregend und hoch giftig sind, aber um teilweise den Faktor 100-1000 und mehr niedriger sind als vor ein paar JAhren? Schon bei Einführung der KAT-Pflicht wurde festgestellt, dass 1 KAT-loses Auto das Abgas von 10 KAT-Autos ausstösst. Betrachtet man also die großartigen Verbesserungen im Abgasverhalten, und berücksichtigt die gestiegene Leistungsfähigkeit und Dauerhaltbarkeit unserer aktuellen Womo-(und PKW) Motoren, kann man nur sehr zufrieden sein über die Ergebnisse der letzten 10-20 Jahre Entwicklung. Trotzdem behaupte ich, dass keiner im "kleinen" Womo einen "grossen" Motor braucht, der einfach 1,5-3 L mehr verbraucht, und einen auch nicht schneller ans Ziel bringt. Wäre wohl was anderes in den richtig dicken Dingern...
ECHTER UMWELTSCHUTZ: Weil das Thema Ethanol/Pflanzenöl angeschnitten wurde: Warum auf andere schimpfen, wenn doch jeder von uns mit Pflanzenöl vom deutschen, österreichischen oder zumindest europäischen Bauern fahren kann? Ist mir doch egal, ob Fiat, Benz und Ford das anbietet, DER Pionier im Dieselbereich, die Fa. Elsbett, bietet eine Umrüstung für (fast) alle Common-Rail-Diesel an, und schon fährt auch Dein Womo mit Frittenöl! Ich werde unseren Duc mit einem 140L-Tank und Elsbett-Umrüstung PÖL-tauglich machen, und kann dann Salzburg-Gardasee-Salzburg mit ein paar Ehrenrunden in der Umgebung mit einem PÖL-Tank fahren. Wenn viele Womo-Besitzer EHRLICH an echtem Umweltschutz und vor allem der Unterstützung der heimischen (Energie)Wirtschaft interessiert wären, würden weniger jammern und mehr zur Tat schreiten, und - anstatt die Ölscheichs und Russen für Öl und Gas immer reicher werden zu lassen - ihr Auto und Womo auf Pöl umrüsten, und das Geld für Energie im Land lassen, und das ganze noch CO2-neutral... Anpacken statt lamentieren, kann ich nur sagen.
HONDA UND DIESEL UND VERBRAUCH: Zum Schluss noch ein Beispiel, das den Fortschritt zeigen soll: (bisher war ich ja Honda-neutral) Honda ist der grösste Motorenhersteller der Welt und ist in vielerlei Hinsicht Technologievorreiter. Wenn Honda was entwickelt und baut, dann streben die nach dem Bestmöglichen. Der aktuelle Diesel-Motor vom CRV beweist dies: ausgezeichnet zum weltweit besten Diesel seiner Klasse frage ich nun, welches Auto hat vor zehn Jahren oder heute all das geschafft: 6,7 L ECE-Verbrauch bei rund 1800 kg Gewicht, Allrad, brachialer Beschleunigung und einem flüsterleisem Lauf, dass schon viele dachten, es sei ein Benziner? Mit Partikelfilter und niedrigsten Abgaswerten lt. Euro4? Stellt dem mal einen Mercedes G 350 Turbodiesel gegen und vergleicht Abgasemissionen, Rußschwaden, Verbrauch, Dynamik und Lärm? Also wer da keinen Fortschritt sieht... Klar braucht nicht jeder ein SUV, aber bei uns in Salzburg bleibt man im Winter bei dem Schnee leicht wo hängen und die SUVs sind Lieblinge der Konsumenten - nur wer von sparsam spricht muß dann auch sparsam kaufen, und nicht den billigeren Benziner. Und weniger als der Honda CRV verbraucht geht halt nicht in einem SUV...
So, das war jetzt lange, bin gespannt auf Eure Antworten.
Liebe Grüsse aus Salzburg! Julius